Von kanadischer Gelassenheit im Positiven und Negativen


Unsere ersten Tage in Vancouver verliefen eher etwas schleppend und zäh, was sehr wahrscheinlich dem immer noch anhaltenden Jetlag-Zustand geschuldet ist. Doch im Großen und Ganzen geht es uns nach den ersten dreieinhalb Tagen recht gut hier und heute konnten wir sogar schon die ersten Unternehmungen machen.

Doch fangen wir erst noch einmal bei der Ankunft am Flughafen an: Denn ganz so einfach ist es dann doch nicht, nach Kanada zu kommen, vor allem nicht als Arbeiter. Bevor wir also überhaupt nach dem Ausstieg aus dem Flieger an unser Gepäck kamen, gab es die erste (vorerst elektronische) Passkontrolle mit Ausdruck eines kleinen, anscheinend sehr wichtigen Zettels. Anschließend folgte die Ausweiskontrolle durch Mitarbeiter der Kanadischen Border Control. Erst dann durften wir unser Gepäck abholen, welches zum Glück mitgekommen war und auch nur geringe Gebrauchsspuren aufwies… aber damit waren wir immer noch nicht legal nach Kanada eingereist bzw. hatten immer noch kein Visum. (Kurze Zwischeninfo: Für das sog. Work and Holiday Visum muss man sich im Voraus mit endlos vielen Dokumenten – wie Familieninfo, Lebenslauf, polizeilichem Führungszeugnis etc. – bewerben und bekommt dann eine Art Empfehlungsschreiben für die Kanadischen Einreisebehörden an der Grenze. Die entscheiden dann über Zulassung oder Ablehnung.
Schon bei dieser Prozedur bemerkten wir, dass die Kanadischen Behörden da sehr langsam und gechillt an die Sache rangehen, denn neben dem Fakt, dass die Behörden hier in Kanada im Frühjahr etwa 4 Wochen frei machen (es gibt übrigens pro Jahr hier nur 10 Urlaubstage für die arbeitende Bevölkerung, dafür aber genug Feiertage und reichlich Kaffeepausen), dauerte es bei mir 15 Tage, bis ich meinen Brief erhielt, bei Til 30 :)
 Das wurde uns dann am Flughafen noch einmal bravourös unter Beweis gestellt. Wir kamen am sog. „Immigration Office“ an – neben ein paar von unseren AIFS-Leuten saßen dort noch ca. 20 andere Einreisewillige – und 7 Officers schienen hinter ihrem Tresen auf Arbeit zu warten. Doch sobald wir ebenfalls saßen, gingen 5 dieser 7 zuerst einmal eine ziemlich lange Pause machen, von der auch nur die Hälfte zurückkam.

Schlussendlich durften wir alle anderthalb Stunden nach Landung des Fliegers den Flughafen verlassen und mit dem Sky Train (S-Bahn in Vancouver) zu unserer Unterkunft fahren. Das Hostel liegt im „Gay Viertel“ der Stadt, was unschwer an rosafarbenen Mülleimern, regenbogenfarbenen Fahnen und Zebrastreifen und den ein oder anderen Fußgängern zu erkennen war. Alles in allem ist dieses Viertel jedoch keineswegs zu meiden, sondern vielmehr der kulturelle und kulinarische Kern der Stadt. Vom Hostel sind zu Fuß auch der Strand, die Sky Train Station und die Downtown bequem zu erreichen. Nur der Marsch von der Station zum Hostel bergauf und mit Gepäck voll beladen war nicht nur für die Mädels aus der Gruppe sehr anstrengend.

Beim Warten auf die Behörden hatten wir schon die ein oder andere Bekanntschaft geknüpft. Also ging es nach dem Einchecken zu dritt zum Getränkekauf, zum Burrito- Essen und zum Strand. Doch es machte sich sehr schnell bemerkbar, dass wir bereits seit über 24 Stunden wach waren (Zeitverschiebung), also fielen wir alle doch recht bald ins Bett.















Am Donnerstag und Freitag fanden ab um 10 Uhr bis ca. 13 Uhr ein paar Einführungsvorträge zu Vancouver und Umgebung, den Gegebenheiten und Gesetzen in BC, der Kontoeröffnung und Jobsuche, sowie der Lebenslauf-Erstellung und Bewerbung im Office von „Work and Holiday Canada“  statt. Die überaus netten und wirklich sehr hilfreichen Mitarbeiter von WorknHoliday aus Deutschland, die hier vor Ort sind, halfen uns ungemein. Neben dem kanadischen Bankkonto sind wir nun also auch stolze Besitzer einer kanadischen SIM-Karte und haben ebenfalls unsere für die Arbeit hier wichtige Social Insurance Number (Sozialversichertennummer) erhalten (auch da bestätigte sich die Übergelassenheit der Kanadier wieder).
 



Doch auch wenn man schon nach den ersten 10 Minuten genervt ist von der in Deutschland ungewohnten Gelassenheit und übermäßigen Ruhe der Kanadier, so kann man zwei Dinge über sie nicht leugnen!

1.)   Sie verstehen es, zu leben! Wir haben noch nie in 3 Tagen so viele Sportwagen und Luxuswagen in einer Stadt gesehen, wie hier in Vancouver. Jedes 2. Auto ist ein deutsches Fabrikat in Sportausführung oder ein „normaler“ Lamborghini, Bentley, Ford Mustang oder eine andere Nobelkutsche (nicht zu vergessen die Limousinen). Unser Office liegt mitten in der Downtown und ist umgeben von Skyscrapern, Glaspalästen und riesigen Straßen, auf denen aber eher weniger Luxusgeschäfte, sondern dafür an jeder Ecke Starbucks, Subway oder andere Fressketten vertreten sind, die hoch frequentiert sind. Außerdem riecht es übermäßig nach Marihuana, welches hier in Kanada noch nicht zu 100% legal ist, aber von allen toleriert wird. Von unserem Hostelnachbarn Brendan (waschechter Kanadier) erfuhren wir, dass es jährlich einmal ein großes Weed-Festival in der Stadt gibt, zu dem quasi alle high sind und Joints en masse nicht nur an Touristen, sondern auch an Polizisten verteilt werden, die auch gern mal mitmachen.
2.)    Die Kanadier sind das netteste und zuvorkommendste Volk auf dieser Welt! Egal ob auf der Straße, oder in Läden, an der Sky Train Station oder eben auf der Behörde – man kommt nie um Smalltalk drum herum und wird immer höflich gefragt, ob man Hilfe bräuchte, sobald man nur einen Blick in die Karte wirft oder einen Moment zu lange auf die Speisekarte schaut. Als Deutscher ist man hier in Kanada sowieso der Held! Jeder freut sich einen zu sehen und deutsche Worker und Traveller werden hier als die Besten und Zuverlässigsten angesehen. Es gibt hier keine Diskussionen um Themen wie Rassismus, oder Fremdenfeindlichkeit (da kann sich Deutschland gern etwas abschauen). Genauso verpönt ist die Ablehnung der unterschiedlichen Lebensstile – egal ob Homosexualität oder Marihuana-Konsum oder Sonstiges. So ein offenes, herzliches und friedliches Miteinander wie hier in Kanada wird es wohl nirgends zu finden geben. Und man merkt auch selbst, sobald man in Kanada ist, ist alles leichter und ungezwungener – so haben wir die letzten Abende größtenteils damit verbracht, mit unseren Zimmernachbarn Brendan und Pablo (er ist Mexikaner, hat aber ein Jahr in Österreich gelebt) über Donald Trump zu lästern, Witze über Mexikaner zu erzählen oder einfach nur den allseits beliebten Smalltalk zu betreiben, was unserem Englisch wirklich sehr gut tut!
Dank Brendan haben wir nun auch viele gute Reiseziele für unseren Roadtrip nach dem Arbeiten…

…achja…da war ja was: Arbeiten?!
Wie wir uns bereits gedacht haben, ist es nicht so einfach, schnell eine gut bezahlte Arbeit für relativ kurze Zeit zu finden. Doch wie es so ist, spielte uns der Zufall in die Hände…denn zu unserer Jobpräsentation kam der Chef der Zeitarbeitsfirma Pristine Labour, die selbst von Backpackern aus anderen Ländern gegründet wurde und auch gut bezahlte Arbeit für ungelernte Arbeiter auf dem Bau vermittelt – unter besten Sicherheits- und Arbeitsbedingungen. Alternativ könnten wir aber vielleicht auch in einem Cafe arbeiten, oder in einem der zahlreichen Restaurants und Coffeeshops anfragen, die alle massig Arbeitskräfte suchen, leider oft für längere Zeit. Deshalb haben wir uns beide erst einmal bei Pristine beworben, mal sehen was dabei raus kommt…nächste Woche wissen wir mehr. Außerdem könnte da bereits die Autofrage geklärt sein.
Damit wir bis dahin erst einmal ein Dach über dem Kopf haben, haben wir unseren Hostel-Aufenthalt bis Montag verlängert. Das Hostel ist zwar nicht der Hammer und das Frühstück noch weniger – naja, wenigstens gibt es was – dafür aber recht teuer. Doch ab Montag werden wir uns entweder auf dem Zeltplatz einmieten oder über das Internet vielleicht eine Bleibe finden…irgendwie findet sich doch immer etwas!

Heute haben wir trotz des eher schlechten Wetters (Vancouver ist im Sommer aufgrund des maritimen Klimas leider sehr verregnet) einen schönen Tag in der Stadt verbracht und waren am Nachmittag im Vancouver Aquarium, wo wir nicht nur exotische Meeresbewohner, sondern auch kanadische Fische und Wasserlebewesen bestaunen konnten. Auch ein aufwendig gestalteter, aber mit viel Hintergrund und einer großartigen Botschaft zum weisen Umgang mit dem Meer ausgestatteter 4D-Film durfte nicht fehlen…
Während ihr also alle also wieder aufsteht, gehen wir hier in Vancouver ins Bett. Nebenan läuft irgendwo zum 5. Mal in Folge Despacito auf voller Lautstärke (ist auch hier angekommen), die Polizeisirene heult mit und die Luxuskarren rasen über die Straßen…

Entschuldigt diesen langen Eintrag heute, aber es gibt so viel zu erzählen und alles in allem sind wir überglücklich hier! Vancouver ist großartig – ein bisschen Stadtkunde, Länderkunde und hoffentlich ein paar Infos, wie es mit der Arbeit und dem Auto aussieht, gibt es dann beim nächsten Eintrag!


















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